
Unentschieden
Walzbachtaler Bürger reagieren unterschiedlich auf Erweiterungspläne des Wössinger Zementwerks
Umweltschutz oder Arbeitsplätze – das ist bei vielen Entscheidungen in der Bundesrepublik ein diametral sich gegenüberstehendes Paar.
Die Walzbachtaler Bürger stehen in genau diesem Spannungsfeld bei der Beurteilung des Antrags des Wössinger Zementwerks, an zwei Standorten nach einem neuen Rohstofflager zu suchen als Ersatz für den sich dem Ende entgegen neigenden Kalksteinbruch am Lugenberg. Das Zementwerk plant nämlich, das neue Abbaulager in einen östlich von Wössingen liegenden Wald zu verlagern.

Relativ unentschlossen in der Frage zeigt sich Iris Eßwein. „Ich bin froh, dass ich diese Entscheidung nicht treffen muss“, sagt sie. Einerseits habe sie als Naturliebhaberin wenig Sympathie für die Pläne, den Wald zu opfern. „Den Sauerstoff brauchen wir mehr als je zuvor“, sagt sie. Andererseits sehe sie die Zwangslage des Zementwerks, dass die Bauindustrie den Rohstoff Zement brauche. Wenn das Werk eine umfängliche Renaturierung gewährleisten könne, dann würden sie das Projekt nicht so kritisch sehen. Am liebsten wäre es ihr allerdings, das Vorhaben in ein einigen Jahren noch einmal neu zu bewerten.
Den Zwiespalt sieht auch Reinhold Jung. Er steht in der Bewertung eher auf der Seite des Werks. „Wenn wir in dem Wohlstand, den wir zur Zeit haben, weiter leben wollen, dann muss man eben auch mal einen Wald opfern“, sagt der Jöhlinger. Ansonsten würde man viel zu abhängig werden von ausländische Rohstofflieferungen. Nach dem Motto „Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass“, könne man nicht immer verfahren.

Keine Probleme sieht Uwe Stäudinger mit den Plänen des Zementwerks, sofern das Werk es mit der Renaturierung wirklich ernst meine. Unter dieser Voraussetzung sei er allerdings bereit, Probebohrungen in den beiden Walzbachtaler Wäldern zu akzeptieren mit denen erkundet werden soll, ob dort ein abbaubares Kalksteinvorkommen vorliege. Er könne sich auch vorstellen, dass der Abbau im schrittweisen Takt vonstatten werde. Dann würden die Eingriffe in die Natur auch nicht so umfänglich ausfallen, meint er.

Als äußerst wichtig für die Walzbachtaler Wirtschaft schätzt Hubert Lefeber die Existenz des Wössinger Zementwerks ein. Wenn man das Werk erhalten wolle, dann müsse man auch solche Eingriffe zulassen. Mit dem Wald sei eben nicht so viel Geld zu verdienen wie mit dem Zement. „Ich wäre bereit, das zu akzeptieren“, sagt er. Eine Werkschließung wegen zu Ende gehender Kalksteinvorkommen, wo unter den Wäldern noch genügend Reserven vorhanden seien, das komme für ihn nicht in Frage. Arbeitsplätze zu erhalten, das habe für ihn oberste Priorität.

Genau dieser Meinung ist auch Günter Jerabek. Für den ehemaligen Zementwerksmitarbeiter wäre eine Werksschließung wegen Rohstoffknappheit unvorstellbar. Für ihn sei es eine Selbstverständlichkeit, dass er sich für den Fortbestand des Werks einsetze. Auch für ihn steht der Erhalt der Arbeitsplätze an oberster Stelle. Irgendetwas müsse man dafür immer opfern, um Arbeitsplätze zu erhalten.

Im Prinzip keine grundsätzlichen Probleme hat Karl Radatz mit den Plänen des Zementwerks. „Warum nicht?“ fragt er zurück. Es komme allerdings bei dieser Entscheidung sehr auf das Detail an. Was dort gemacht werde, müsse genau überprüft werden. Die Notwendigkeit, einen neuen Standort zu suchen, sehe er zwar durchaus ein. Wenn allerdings der Wald gerodet werde, dann sei das „nicht so sehr meine Sache“, meint der Jöhlinger Bürger.

Als Jöhlingerin sei sie von dem Problem nicht so sehr betroffen, gesteht Renate Siegel. Sie fände es aber schade, wenn für die Pläne des Zementwerks der Wald geopfert würde, wenn Landschaft und Umwelt Schaden nehmen würden. Man könne nicht jeden Eingriff in die Umwelt mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen rechtfertigen. Es müsse durchaus auch andere Möglichkeiten dafür erschlossen werden.
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wessinga
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Ich kann nicht glauben was ich hier lese. Das Schifftal opfern für das Profitstreben eines ausländischen Konzerns, der uns dazu noch mit Genehmigung vergiftet mit seinen Abgasen. Die Arbeitsplätze bleiben noch Jahrzehnte erhalten bis die Anlage wieder abgebaut und das Gelände samt Steinbruch renaturiert ist. Meine Meinung basta.
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Zement im Kopf?
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Ich hätte das Zementwerk lieber heute als morgen los, Arbeitsplätze hin oder her. Es ist im Grunde eine Müllverbrennungsanlage mit zu lockeren Emissionsgrenzwerten direkt vor unserer Haustür, der zudem Wald zum Opfer fallen soll. Nein danke.
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JuMan
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Was macht Walzbachtal so attraktiv? Der idyllische Bachlauf? Das reichhaltige Kulturangebot in der Veranstaltungshalle? Die schönen Grünflächen? Ach nein, gibt’s ja nicht. Aber Landschaft haben wir hier. Und das ist heutzutage viel wert. Aber die lassen wir uns im Süden demnächst von der Umgehungsstraße durchschneiden, haben im Westen wenig Einfluss auf den geplanten Windpark und der Osten ist eh schon ziemlich weggebaggert. Und das soll so weitergehen? Ist es uns das wert? Arbeitsplätze, ok. Aber Arbeitsplätze in der Naturausbeutungsindustrie sind Arbeitsplätze von gestern, siehe Stein- und Braunkohle. Glaubt wirklich jemand, dass der Steinbruch der Zukunft nicht auf immer stärkere Mechanisierung mit immer gewaltigeren Maschinen setzt? Steuereinnahmen? Wieviel? Welche Segnungen hat Walzbachtal bislang davon? Und eine Hochglanzbroschüre, in der das Zementwerk als „Wahrzeichen von Walzbachtal“ dargestellt wird, sagt viel über das gestörte Selbstverständnis des Unternehmens aus. Ist es uns das Wert?
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Jack Herbst
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Sehr gut auf den Punkt gebracht, Danke!
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Raimund Würtz
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Probebohrungen Abbaurechte
Bei einigen Personen im Dorf ist das “Was“ – Zement- gesetzt. Als Spinner werden diejenigen abgetan, die nachhaltig nach dem “Wie“ fragen. Konter kommen wie bestellt. Zuständig dafür sind professionell „quecksilbrige“ Greenwasher. Deren Logik ist allerdings schwer verdaulich.
Schwer zu durchschauen ist für den Bürger auch die Rechts- und Gesetzeslage des hier bekanntgegebenen Vorhabens. Das Wissen, dass bergfreie Bodenschätze dem Grundeigentum entzogen und grundeigene Bodenschätze ihm zustehen, wirft die Frage nach den Besitzverhältnissen auf. Schon führt den Walzbachtaler Bürger der Weg hin zur Gemeindeverwaltung und deren Rechts- und Vertragssicherheit. Bockigkeit und Beratungsresistenz einhergehend mit „Strippenzieherei“ im Hintergrund führen zu Ergebnissen (Verträgen), die von oberster Stelle bereits mit „ungenügend“ ausgezeichnet wurden. Einiges dürfte noch „im Keller“ schlummern. Kurz gesagt: die Einsicht und rechtliche Offenlegung von geschaffenen Tatsachen wäre wichtig, um sich weiter sinnstiftend mit der Angelegenheit auseinander zu setzen.
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Doto
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Danke für diesen Kommentar! Wenn wir gerade durch Corona ja nicht „in die Ferne“ weg können, sollten wir umso dankbarer für unsere wunderschöne Umgebung sein! Die Natur erhalten, wo sie noch möglichst unberührt ist, sollte wichtiger sein als Profit.
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Lars
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Auch wenn ich vermutlich nicht in allen Dingen der gleichen Meinung bin wie mein Vorredner bzgl der genannten Projekte. Der Kommentar trifft genau den Punkt…
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Martina Prinz
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Schon wieder eine Broschüre im Briefkasten. Sehr idyllisch mit den Blumen und Zementwerk im Hintergrund, irgendwie absurd. Und genauso absurd, dass es im Bericht Unentschieden um das Bäume fällen, und schon im nächsten um Bäume pflanzen – in Walzbachtal geht. Hat BW nicht gerade GRÜN gewählt? Mit grosser Mehrheit hat die Bevölkerung ein Zeichen gesetzt. Wo sehen wir diese Zeichen in der Walzbachtaler Politik? Die Befürworter für diese trostlosen Aussichten werden dann nicht mehr da sein, wenn unsere Kinder und Enkelkinder fragen: Warum habt ihr so für unseren Ort gehandelt….
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